Fortgeschrittenenguide III: Advanced Storytelling
Die Vorüberlegungen
Wollt ihr es etwas ausgefeilter, ist es eine gute Idee, auch ein wenig “World Building” zu betreiben. Unter dem Begriff versteht man den Prozess des Aufbaus einer imaginären Welt mit allem, was dazu gehört: Länder, Karten, Kulturen, Hintergrundgeschichten, wichtige Persönlichkeiten und so weiter. Aber keine Angst, auch hier bleiben wir zunächst bei den Grundlagen, um die Welt ein wenig authentischer zu machen. Wir brauchen nur gerade so viel Worldbuilding, damit wir einen in sich stimmigen Hintergrund haben, vor dem die Quests und Questreihen spielen. Von dieser Basis aus ist es wiederum einfacher, sich weitere Details zu der Welt auszudenken.
Verdeutlichen wir es an der folgenden Überlegung: Kann man die schulischen Themen vielleicht bestimmten Figuren oder Fantasy-Völkern zuordnen? Nehmen wir mal mein Fach Deutsch für die Unterstufe als Beispiel: Grammatik steht an. Das scheint etwas für Gelehrte zu sein, viele Fachbegriffe (Akkusativ, Dativ, Satzklammern, Tempus usw.), also machen das bei mir die Figuren, die an einer Akademie studiert haben: Magier. Die mit ihren dicken Büchern, Schriftrollen und Laboren… Moment! Magier haben auch Alchemielabore! Daraus werden dann eben „Sprachlabore“, wo sie mit der Sprache experimentieren und sie untersuchen: Sätze aufspalten und bis hin zu den kleinsten Partikeln bestimmen… Somit sind Magier für alles zuständig, was mit Grammatik und Rechtschreibung zu tun hat.
Dann stehen da auch Gedichte auf dem Lehrplan. Gedichte … Hm … die kann man ja auch irgendwie singen. Das sind ja „Lyrics“ … Und hier im Deutschbuch geht es speziell um Gedichte zu den Jahreszeiten, zu den Monaten … Naturgedichte!
Welches Fantasy-Volk singt gerne und mag die Natur? Klar! Die Elfen!
Also wird die Unterrichtseinheit bei den Elfen spielen!
Was steht noch an?
Märchen.
Wie passend! Die Märchen könnten als Schauplätze in einer Landkarte eines zauberhaften Waldes auftauchen, die durch Pfade miteinander verbunden sind und die Schüler werden von einer Art Fremdenführer von Schauplatz zu Schauplatz geführt, wo sie dann Aufgaben lösen müssen.
Idee: Einführung von Mentorenfiguren
In Rollenspielen wird eine Figur, die vom Spielleiter dargestellt wird, NPC (Non Player Character) oder auch Meisterfigur genannt. Es liegt also recht nahe, eine Reihe von Meisterfiguren zu erschaffen, die wie eine Art Mentor die Schüler bei den verschiedenen Abenteuerreihen an die Hand nehmen.
Aus den Ideen lassen sich schon recht gute eigene Geschichten für einen Handlungsbogen schreiben. Wichtig ist dann, dass die Geschichte mit den Aufgaben harmoniert. Die Schüler sollten also nicht das Gefühl haben, aus der Immersion gerissen zu werden, wenn man den Storyteil vorgestellt hat und dann aber sagt: „Und jetzt das Buch auf, Seite 138 bearbeiten!“, und dann passt die Aufgabe nicht zur Geschichte oder wirkt zu sehr aufgesetzt oder gar zusammenhangslos.
Besser ist es, aus der Geschichte heraus die Aufgabe zu stellen. Vielleicht sind die Helden einem Torwächter begegnet, der ein bestimmtes Losungswort hören will oder die Helden müssen in einem Buchstabenhaufen mindestens 12 Wörter entdecken und damit den Torwächter zu beeindrucken, zu bezahlen oder zu bestechen, damit er den Zugang zum Turm öffnet usw. Darum heißt das Lehrwerk bei uns jetzt „Questjournal“, weil der Begriff stimmiger ist, den Wortlaut der Aufgabenstellung passe ich ggf. mündlich an.
Da Classcraft auf klassischen Papier-und-Bleistift-Rollenspielen beruht, bietet es sich sehr an, das Geschehen im Klassenzimmer mithilfe der Quest leicht in ebendiese Richtung zu leiten. Die Schüler sollten die Möglichkeit haben, ein wenig mit den Meisterfiguren interagieren zu können. Natürlich kann man z.B. Schüler in den Quest-Geschichten auftreten lassen, aber das ist eine starre Angelegenheit. Ich wollte es an ausgewählten Punkten in den Geschichten den Schülern ermöglichen, sich mit den Meisterfiguren zu unterhalten oder sogar mit ihnen zu diskutieren, um z.B. zu einer Entscheidung zu kommen oder um in so einem Gespräch einen Aspekt des Unterrichtsgegenstandes konkret zu erarbeiten, anstatt wie sonst üblich ein Lehrer-Schüler-Gespräch zu führen. Die Unterrichtsgespräche werden so weniger abstrakt, weil die Schüler direkt jemanden als Ansprechpartner und Adressaten haben.
Genau diese Art von Storytelling mit leichten Rollenspielelementen und eigenständigen Meisterfiguren habe ich ab Januar 2020 stark ausgebaut. Das wird in den Profi-Guides beschrieben.